Willkommen zur Sommer-Ausgabe des Lettre de la République, der letzten Ausgabe des Jahres 214! Heute geht es um die Staatsstreiche in der Ära des Direktoriums, welches in Frankreich vom Jahr IV bis VIII der Republik (1795 bis 1799) regierte.
Wie immer kann man durch Klick auf das Revolutionsdatum den entsprechenden Tag nach dem Gregorianischen Kalender ermitteln.
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Im Brumaire IV, als der Konvent auseinander gegangen war, wurden die ersten fünf Direktoren gewählt. Sie waren allesamt Republikaner und hatten für den Tod des Königs gestimmt: Barras, Reubell, Carnot, Letourneur und La Revelliere-Lepeaux. Sie bildeten das von den Historikern später so genannte 'Erste Direktorium', das eineinhalb Jahre nahezu unverändert in dieser Besetzung regierte. Nach der Verfassung war vorgesehen, dass jährlich ein Direktor - durch das Los bestimmt - auszuscheiden hatte und ein neuer gewählt werden sollte. Es kam jedoch zu weitaus häufigeren Wechseln.
Am 18. Fructidor V fand der erste Staatsstreich des Direktoriums statt. Er wurde von den drei republikanischen Direktoren Barras, Reubell und La Revelliere-Lepeaux organisiert und richtete sich gegen die Räte, die nach der letzten Wahl eine royalistische Mehrheit aufwiesen. Paris wurde an diesem Tag militärisch besetzt. Eine Verfügung bedrohte jeden, der zur Wiedereinführung der Monarchie aufforderte, mit der sofortigen Erschießung. Ein völlig verängstigtes Rumpfparlament erließ einige Ausnahmegesetze. Viele Abgeordnete wurden deportiert, ebenso der des Royalismus verdächtige Direktor Barthélemy. Der vorgewarnte Direktor Carnot (rechts), der den Verfassungsbruch seiner drei Kollegen verurteilte, konnte sich einer Verhaftung durch Flucht entziehen. Nach dem 18. Fructidor regierte das neue, 'Zweite Direktorium' mit besonderen Vollmachten.
Der 22. Floréal VI war eine friedliche Version des 18. Fructidor. Wieder drohten die jährlichen Wahlen nicht im Sinne des Direktoriums zu verlaufen. Deshalb wurden schon im Vorfeld so genannte 'Szissionen' organisiert, d.h. Spaltungen derjenigen Wählerversammlungen, in denen sich ein anti-direktorialer Kandidat durchzusetzen drohte. Die Räte ließen kurzerhand die unliebsamen Wahlergebnisse entweder für ungültig erklären oder erkannten nur die Ergebnisse aus den Spalter-Versammlungen an. Die abgelehnten Abgeordneten waren diesmal meist Jakobiner. Mit der Einheit der Republikaner war es somit vorbei.
Die Umwälzung vom 28., 29. und 30. Prairial VII war die Rache der neu gewählten Räte für den 18. Fructidor und 22. Floréal. Der kurz vorher ins Direktorium gewählte Sièyes machte sich den Unmut der diesmal nicht 'floréalisierten' Räte zu Nutze: Er ließ drei Direktoren stürzen und durch Männer seines Vertrauens ersetzen. Sièyes' Hass auf die Direktorial-Verfassung war allgemein bekannt. Wie er vorhergesehen hatte, führten die von den nunmehr jakobinischen Räten eingeführten Ausnahmegesetze ins Leere und machten das ohnehin verhasste Direktorialsystem noch unbeliebter. Die Verfassung hatte in Frankreich keine Unterstützer mehr. Sièyes brauchte nur noch 'einen Säbel', um Frankreich die Konstitution zu geben, die ihm schon lange vorschwebte. Napoleon schien dafür der geeignete Mann zu sein.
Am 18. und 19. Brumaire VIII fand dieser Staatsstreich statt. Zu früher Stunde wurden ausgewählte Abgeordnete ins Parlament gerufen, um außerordentliche, einen Machtwechsel vorbereitende Maßnahmen abzusegnen. Drei Direktoren (darunter Sièyes), traten zurück, um Napoleon freie Bahn zu lassen. Dass der Putsch am folgenden Tag gelang, hat Napoleon zum großen Teil seinem Bruder Lucien (links) zu verdanken, der als Präsident des Rats der Fünfhundert in den kritischen Momenten Gespür für die richtigen Worte und Gesten hatte. Sièyes wurde zusammen mit Roger-Ducos und Napoleon Mitglied eines provisorischen Konsulats. Die Verfassung, die Napoleon schließlich durchsetzte, entsprach aber überhaupt nicht den Vorstellungen Sièyes'. Er hatte Napoleons Machthunger unterschätzt.

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Barras Barras Reubell Reubell La Revelliere-Lepeaux La Revelliere-Lepeaux Carnot Carnot Letourneur Letourneur Barthélemy Barthélemy Merlin de Douai Merlin de Douai Francois de Neufchateau Francois de Neufchateau Treilhard Treilhard Sièyes Sièyes Roger Ducos Roger Ducos Moulin Moulin Gohier Gohier schaubild
Diese Darstellung stützt sich im Wesentlichen auf die Daten der sehr empfehlenswerten Seite
http://www.archontology.org/nations/france/france_state1/


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Der nächste Lettre de la République erscheint im Vendémiaire 215.
Bis dahin einen schönen Sommer und
Salut et Fraternité!
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© Jan Knupper CCXIV (2006)