Germinal! Frühling! Der Winter zieht sich (hoffentlich) zurück, die Natur erwacht auf ein Neues, die Lebensgeister werden wieder geweckt. Wenn man sich die Daten der Geschichte einmal ansieht, erkennt man schnell, dass die Höhepunkte der Französischen Revolution, die durch spontane Volksausbrüche bestimmt waren, stets in die Frühlings- oder Sommermonate fielen (vgl. z.B. 14. Juli, 10. August, Septembermassaker, 31. Mai/2. Juni, 9. Thermidor, Prairial-Aufstand). Es wäre vielleicht einmal interessant zu untersuchen, inwiefern das Wetter Einfluss auf solche Ereignisse hatte.
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Das Menschliche ist auch Thema dieses Newsletters. Die schwindende Zuständigkeit der Kirche für moralische Fragen hatte einen großen Einfluss auf das Liebesleben der Franzosen. Die Auffassungen des Marquis de Sade, dass alle sexuellen Bedürfnisse natürlich seien, fanden bei vielen Franzosen, die den neuen freiheitlichen Ideen anhingen, Unterstützung und wurden in die Tat umgesetzt. Mit zunehmender Promiskuität breiteten sich allerdings auch die Geschlechtskrankheiten aus, und die Zahl der Findelkinder vervielfachte sich. Eine 'Zügellosigkeit der öffentlichen Moral' griff in den ersten Revolutionsjahren um sich.
Pornografische Literatur gab es im Überfluss, und sie war (laut einem zeitgenössischem Zeitungsbericht) der bevorzugte Lesestoff der Jugend. Flugblätter zirkulierten, in denen die Preise von Freudenhäusern und Prostituierten zu erfahren waren. Ab Mitte 1793 jedoch, mit der wachsenden Macht der puritanischen Jakobiner um Robespierre, änderte sich die moralische Tendenz: Plötzlich galt Lasterhaftigkeit als konterrevolutionär. Von eifrigen Revolutionären organisierte Patrouillen sorgten in Paris dafür, dass auch die Hochburgen der Prostitution, wie z.B. das Palais Royal, 'moralisch sauber' wurden. Mit dem Sturz Robespierres lockerten sich die Sitten jedoch wieder.
Ein gutes Beispiel dafür, welchen Einfluss attraktive Frauen auf die Politik nach der Schreckensherrschaft hatten, ist Thérésa Cabarrus. Ihre intellektuellen Fähigkeiten waren begrenzt, sie zeigte sich aber auf dem zwischenmenschlichen Gebiet außerordentlich talentiert und wusste dies zu ihren Gunsten einzusetzen. Die junge Frau, die in allen Berichten als 'unbeschreiblich schön' beschrieben wird, konnte sich schnell nach ihrer Trennung vom unfähigen Tallien, der ihr kaum eine Karriere versprechen konnte, Zugang zum allmächtigen Barras verschaffen. Ihre offensichtlichen Vorzüge setzte sie fast schamlos ein, und sie wurde zur 'Königin des Direktoriums'. Sie soll sich tatsächlich des Öfteren barbusig in der Öffentlichkeit gezeigt haben.


Fans der Französischen Revolution sollten sich jetzt schon den 15. Nivôse 215 vormerken. Für diesen Tag ist nämlich der deutsche Kinostart des Films Marie Antoinette geplant. Die Dreharbeiten in Versailles sind bereits abgeschlossen - Weltpremiere soll am 22. Vendémiaire 215 sein.
Marie Antoinette wird von Kirsten Dunst gespielt. Regisseurin ist Sofie Coppola. Weitere Darsteller: Jason Schwartzman (Louis XVI), Molly Shannon, Rip Torn, Asia Argento, Steve Coogan, Tom Meighan.
Erste Bilder vom Film gibt es hier zu sehen.

Der nächste Lettre de la République erscheint im Messidor CCXIV.
Bis dahin einen schönen Frühling und
Salut et Fraternité!
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© Jan Knupper 2006